Zwischen Spätzle und Pakora – Teil 2

Zwischen Spätzle und Pakora Teil 2:         

   

Fluchtweg

„Geh nicht nach Germany, dort brauchst du für alles ein Papier!“.

Dies war der Ratschlag, den er mit auf den Weg bekam. Erklärtes Ziel war deshalb die Schweiz. So bestieg er mit einem Koffer voller Hoffnungen aber auch Ängsten das Flugzeug nach England. Sein Plan war dann, von England aus über Österreich, Deutschland in die Schweiz zu reisen. Doch es kam anders. Idris Mahmood musste sich Schleppern anvertrauen, um von Österreich weiterzukommen. Nach einem ersten Stopp hieß es: „Aussteigen! Ein anderer Mann kommt und bringt euch weiter.“ Nur dieser Mann kam nie. Und so stand Idris in Passau – ohne Geld und ohne Pass, denn beides hatte der Schlepper mitgenommen. Da er von Europa nicht viel wusste, war er der festen Überzeugung, in Deutschland zu sein und nicht in Germany. So war der Schreck groß, als ihm klar wurde, dass Germany und Deutschland ein und dasselbe Land sind und er nun in Deutschland ist, wo man für alles ein Papier braucht! Darüber hinaus quälte ihn, dass an demselben Grenzübertritt, den er genommen hatte, kurz zuvor zwei Ahmadis erschossen worden waren. Sein großes Glück war, dass er – ganz im Sinne der Ahmadiyya Lehre – höflich und zuvorkommend war. Zudem war er stets sehr ordentlich gekleidet. Mit Anzug und Krawatte hielten ihn die Menschen eher für einen Touristen als für einen Flüchtling. Sein Auftreten ermöglichte es ihm, lange Zeit unbehelligt durch Deutschland zu reisen, um Verwandte und Bekannte zu treffen. Bis zu jenem Tag in Frankfurt. Am Bahnhof war Polizei und er fragte sie, wie er zu seinem nächsten Zug käme. Sie erklärten ihm dies bereitwillig, und er machte sich auf den Weg zum Bahnsteig in der Annahme, dort direkt das Ticket kaufen zu können. Plötzlich sah er, wie die Polizisten ihm hinterher gerannt kamen. Panik kroch in ihm hoch und er dachte: „Heute ist es zu Ende. Ich werde geschnappt!“ Doch es kam anders. Die Polizisten wollten ihm nur erklären, wo er sein Ticket kaufen muss. Bei seinen Bekannten zu hause angekommen, waren diese bereits in großer Sorge, hatten sie doch von der Razzia am Bahnhof gehört. In die Erleichterung, dass ihm nichts passiert war, mischte sich aber auch die Erkenntnis, dass es so nicht mehr weiter gehen könne. Das Glück darf nicht überstrapaziert werden. Da er von vielen Landsleuten mitbekommen hatte, dass deren Asylverfahren innerhalb von 6 Monaten positiv beschieden worden waren, beschloss er, ebenfalls Asyl zu beantragen. In seiner Heimat war seine Zugehörigkeit zu der Ahmadiyya- Religionsgemeinschaft lebensbedrohlich für ihn und seine Familie. Mit der Aussicht eines nach 6 Monaten abgeschlossenen und positiven entschiedenen Asylverfahrens seine Familie nachholen zu können, begab er sich also nach Karlsruhe in die Landeserstaufnahmestelle. Doch Idris hatte die Rechnung ohne den inzwischen ausgebrochenen Balkankrieg gemacht. Der starke Ansturm bosnischer Flüchtlinge drängte die Anträge aller anderen Flüchtlinge in den Hintergrund. Mittlerweile war er von der Erstaufnahmestelle Karlsruhe in die Gemeinschaftsunterkunft Göppingen gekommen und von dort der Gemeinde Göggingen zugeteilt worden. Ganze drei Jahre musste er auf seine Anhörung warten. Über 200 Seiten Papier sammelte er in dieser Zeit, denn in Germany brauchte er für alles ein Papier. Zum Verlassen des Landkreises, wenn er z.B. nach Stuttgart wollte, um dort zu beten und pakistanische Lebensmittel einzukaufen, oder seine Bekannte und Freunde zu besuchen.

Glücklicherweise fand er Arbeit und so hatte er zumindest etwas Geld.

Die Trennung von seiner Familie dauerte ganze 9 Jahre. Und nur das Telefon war die Verbindung zu seiner Familie. Eine sehr schwere und schmerzhafte Zeit, die ihn oft an den Rand der Verzweiflung brachte.

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